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Praxisnahe Schweissprüfung: Tropfen, tupfen oder treten?

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Brauchbarkeitsprüfung, Verbandsschweiß- oder Fährtenschuhprüfung – welche Prüfung entspricht der Praxis? Von Thore Wolf.

Hund
Bild: Thore Wolf

Mein Hund soll hauptsächlich für die Nachsuche eingesetzt werden. Nun weiß ich aber nicht, auf welche Art ich ihn am besten einarbeite und für die Praxis vorbereite. Ist eine Fährtenschuhprüfung denn wirklich praktikabel, so ganz ohne Schweiß? Oder reicht auch die einfache Brauchbarkeitsprüfung auf der getropften Fährte?“

Solche Fragen erreichen häufig die Redaktion. „Der Irrglaube, dass sich der Hund nur an Schweißtropfen orientiert, ist noch immer weit verbreitet“, sagt WuHNachsuchenexperte Stefan Mayer. „Doch inzwischen sollte es sich rumgesprochen haben, dass Wild nicht fliegen kann, und dass der Hund nicht die Schweißfährte als solches, sondern die damit verbundene Bodenverwundung durch den Fährtenleger arbeitet. Zahlreiche Kynologen haben dies in diversen Arbeiten belegt. So weist beispielsweise MÜLLER (2004) darauf hin, dass eine Kunstfährte aus vier wesentlichen Komponenten besteht, an denen sich der Hund orientiert:

1. die mechanische Veränderung des Bodens

2. freigesetzte Duftstoffe durch Zerstören von Pflanzenteilen

3. Duftstoffe des Fährtenlegers

4. Duftstoffe, die durch das Zersetzen zerquetschter Pflanzenteile durch Bakterien entstehen. BORNGRÄBER (2004) favorisiert die Ausbildung des Hundes an der Bodenverwundung und nicht am Schweiß. Schließlich könne auch in der Praxis der Schweiß im Unterschied zur Bodenverwundung gänzlich fehlen. Ist es nach diesen Erkenntnissen überhaupt praxisgerecht, reine Schweißprüfungen – getupft oder getropft – durchzuführen?

Landauf, landab existieren die unterschiedlichsten Prüfungsvarianten. Sowohl die Brauchbarkeitsprüfungen der jeweiligen Landesjagdverbände, der Jagdgebrauchshundverband (JGHV) als auch die jeweiligen Zuchtvereine der verschiedenen Jagdhunderassen bieten eine Vielzahl unterschiedlicher Schweiß-Prüfungsmodelle an.

Betrachtet man sich alleine die Brauchbarkeitsprüfungsordnungen der Länder, stellt man schnell fest, dass es auch dort zahlreiche Unterschiede gibt. So wird beispielsweise in Brandenburg eine 600 Meter lange Übernachtfährte mit einem Viertel Liter Schweiß gefordert, aber in Nordrhein-Westfalen und Bayern beispielsweise nur 300 Meter. Ob die Fährten getupft, getropft oder mit dem Fährtenschuh getreten werden, ist ebenfalls in jedem Bundesland unterschiedlich.
Bei den meisten Schweißprüfungen wird maximal ein Viertel Liter Schweiß auf einer bestimmten Fährtenlänge ausgebracht. So auch bei der Verbandsschweißprüfung (VSwP, Fährtenlänge: mindestens 1 000 Meter) des JGHV und bei der Verbandsgebrauchsprüfug (VGP, Fährtenlänge: mindestens 400 Meter).


Schweisshundestation
Dies, so sind sich Nachsuchenpraktiker einig, ist vollkommen praxisfern. Eine Diplom arbeit an der Technischen Universität Dresden (DONAT 2010) kommt zum Schluss, dass der Schweiß eher für den Hundeführer von Bedeutung ist, nicht aber für den Hund. Im Jagdgebrauschhundlager ist diese Erkenntnis aber anscheinend noch nicht überall angekommen. Zeugnis darüber legte die Abstimmung auf der Verbandstagung des JGHV in diesem Jahr ab. Entgegen aller kynologischen Erkenntnisse lehnte die Mitgliederversammlung mehrheitlich ab, in der VGP-Ordnung die Fährtenschuhfährte als dritte Variante neben getupfter oder gespritzter Fährte zuzulassen.
Ebenso wurde abgelehnt, die Mindestlänge der VGP-Fährte anzuheben. Und das, obwohl bereits 2010 DONAT nach einer Auswertung von 995 Nachsuchen zu dem Schluss kam, dass schon auf einer einfachen Brauchbarkeitsprüfung Hunde auf einer Übernachtfährte mit einer Mindestlänge von 600 Metern geprüft werden sollten, um den Anforderungen der Jagdpraxis gerecht zu werden.

 


Fährte
Szene einer Hauptprüfung im Verein Hirschmann: Im Echtbetrieb wird das Gespann unter Richterbegleitung geprüft.Bild: Ulf Muuß

„Eine echte Wundfährte, auf der ein Viertel Liter Schweiß schön gleichmäßig auf einen Kilometer verteilt ist, gibt es nicht!“, meint Schweißhundexperte Bernd Krewer. Aber darauf kommt es nach seiner Überzeugung auch nicht unbedingt an. „Wenn ein Hund nach Regen oder Frost einen Kilometer weit einer nach 24 Stunden nur noch wenig Wittrung abgebenden Leitschnur folgen kann, dann hat er zumindest einen guten Nasengebrauch und eine sehr hohe Konzentrationsfähigkeit bewiesen“, sagt Krewer. „Seine Verleitungssicherheit hängt entscheidend davon ab, ob er das süße Gift des freien Jagens hinter den Wildarten kennt oder eben nicht, die ‚seine‘ Fährte kreuzen. Es ist sicher kein Zufall, dass oft die Hunde auf den Siegertreppchen stehen, die bis dahin selten oder nie zum Stöbern oder auf echten Nachsuchen eingesetzt worden waren.“

Noch kritischer betrachtet WuH-Nachsuchenexperte Stefan Mayer die reinen Schweißprüfungen. Vor allem die der Baden-Württemberger Brauchbarkeitsprüfung. Dort besteht die Möglichkeit, eine Brauchbarkeit ausschließlich für die „Nachsuche in Schalenwildrevieren“ abzulegen. Die Anforderungen: Eine 400 Meter lange Übernachtfährte, auf der ein Viertel Liter Schweiß ausgebracht wird.

Hat ein Hund diese Prüfung zusammen mit dem allgemeinen Gehorsam, der Schussfestigkeit und dem Benehmen am verendeten Stück bestanden, ist er im Sinne des baden-württembergischen Landesjagdgesetzes brauchbar für Nachsuchen in Schalenwildrevieren. Und genau darin liegt der Knackpunkt: „Viele Hundeführer ziehen daraus die falschen Schlüsse“, sagt Mayer. „Die ‚Brauchbarkeit im Schalenwildrevier‘ suggeriert ihnen, dass sie mit bestandener Prüfung ihren Vierläufer nun tatsächlich für alle anfallenden Nachsuchen einsetzen können. Dem ist aber beileibe nicht so!“

Der Schwarzwälder Nachsuchen führer ist davon überzeugt, dass man diese Prüfungsfährten in den meisten Fällen mit dem bloßen Auge – auch ohne Hund – nachlaufen könne. „Ein auf diese Minimalanforderungen eingearbeitets Gespann kommt in der Praxis sehr schnell an seine Leistungsgrenze“, ist sich Stefan Mayer sicher. Seine Erfahrungen belegen dies: Viel zu häufig wird auch noch in der Nacht mit solchen „brauchbaren“ Hunden probiert. Die kranken Stücke werden immer wieder aufgemüdet. Professionellen Nachsuchengespannen, die dann die „Kartoffeln aus dem Feuer“ holen müssen, erschwert das unnötig die Arbeit. Vom Leiden des kranken Wildes ganz zu schweigen.

 


Schalenwild
Schalenwild gibt durch seine Fährtenabdrücke (hier Damwild) ausreichend Witterung für den Hund ab.Bild: Florian Stamdke
Stefan Mayer und seine Kollegen von der Schweißhundestation Südschwarzwald haben seit ihrer Gründung alle Zahlen und Fakten ihrer Einsätze akribisch erfasst und ausgewertet. Wurden zu Anfang bei weniger als zehn Prozent der Suchen vorher bereits andere „Durchschnittshunde“ auf der Wundfährte eingesetzt, ist dies seit Einführung und offensiver Werbung für die Brauchbarkeitsprüfung inzwischen seit 2009 bei rund 30 Prozent der Nachsuchen der Fall.
„Dementsprechend stiegen auch die Fehlsuchen unserer Station an. Obwohl die Leistungsfähigkeit unserer Hunde tendenziell gesteigert wurde“, gibt Mayer zu bedenken. In Zahlen ausgedrückt: Bei jährlich rund 130 von 400 Nachsuchen wurde vorher schon mit einem anderen Hund probiert. Kurzum: Bei jeder dritten Arbeit! (siehe Grafik links) „Daran ändert auch die Prüfungsordnung selbst nichts. Mit Sicherheit ist sie sinnvoll, damit die Hunde einen Befähigungsnachweis und somit einen Versicherungsschutz erlangen“, fügt Mayer hinzu und betont, dass die Verantwortlichen im Landesjagdverband den Hundeführern unmissverständlich klarmachen sollten, dass das Experimentieren mit solchen Hunden auf schwierigen Wundfährten teilweise einer unterlassenen Nachsuche nahe kommt. Und das sei Tierquälerei.

 


Fährte
Fährtenschuhe.Foto: Adolf Schilling

„Natürlich ist die Bodenverwundung durch den Menschen auch dabei deutlich verstärkt. Aber die Fährtenschuhprüfung ist aus meiner Sicht die pragmatischste“, erklärt Stefan Mayer. Am wenigsten praxisgerecht scheint für ihn die Verbandsschweißprüfung, weil die große Schweißmenge für erschwerte Nachsuchen recht ungewöhnlich ist: „Bedenkt man, dass mindestens zwei Personen mit all ihren Bodenverwundungen und Eigengerüchen die Fährte legen, sollte es für einen normal eingearbeiteten Hund keine Mühe sein, solch eine Fährte zu arbeiten.“

 


Fährte
Bei Fährtenschuhprüfungen spielt der Schweiß eine untergeordnete Rolle.Foto: Adolf Schilling

Aber wie werden eigentlich die Hunde der professionellen Nachsuchengespanne geprüft? Also die Vertreter der Rassen Bayerischer Gebirgsschweißhund und Hannoverscher Schweißhund? Ihre Zuchtvereine gehen noch einen Schritt weiter. Bei der Vorprüfung werden die Hunde auf einer schweißfreien Fährtenschuhfährte geprüft. Die spätere Hauptprüfung findet im echten Jagdbetrieb als Nachsuche mit Richterbegleitung statt. Für die Hannoverschen Schweißhunde war lange Zeit die „klassische Hirschmannschule“ das Nonplusultra der Vorprüfung. Dabei wurden die Vierläufer auf der genau beobachteten Gesundfährte eines einzelnen Stückes Hochwild eingearbeitet und geprüft. Der Vorteil: Der junge Schweißhund lernt, sich an der individuellen Wittrung eines einzelnen Stückes festzusaugen. Und das ganz ohne menschliche Gerüche. Kritiker behaupten, diese Einarbeitung sei kontraproduktiv. Schließlich würde der Hund an Gesundfährten gewöhnt, die er später auf der Wundfährte als Verleitung ignorieren müsste. Dass dieser Einwand nicht haltbar ist, kann Bernd Krewer aus eigener Erfahrung belegen: „Ich habe acht Schweißhunde nach der Hirschmannschule eingearbeitet. Alle wurden sehr leistungsstark. Die Wundwittrung und der vielleicht vorhandene Schweiß in den ‚echten‘ Krankfährten wurden nach der Einarbeitung auf den Gesundfährten sehr rasch zur dominanten Leitschnur ihrer Arbeit.“

Dieses Talent zeigten bereits die Leithunde, von denen die Hannoverschen Schweißhunde abstammen. Vom Mittelalter bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde ihnen die Aufgabe zuteil, die Gesundfährte eines einzelnen Hirsches oder eines Keilers zu arbeiten, um das Stück in seinem Einstand zu bestätigen und dorthin zu lancieren, wo die höfische Jagdgesellschaft bereitstand. Am Riemen (Leitseil) geführt, mussten die Hunde mit tiefer Nase über Stunden diese einzelne Fährte konsequent halten. Schweiß brauchten die Leithunde dazu nicht!

 

 

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