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Einspruch, Herr Richter!

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Das deutsche Prüfungswesen für Jagdgebrauchshunde hat sich im Laufe seiner 100-jährigen Geschichte bewährt. Kein Grund, nicht über ein paar Verbesserungen nachzudenken und wenn es sein muss, auch mal Einspruch zu erheben.

 

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von Hans-Jürgen Markmann

Dass ein Hund, der auf einer Verbandsprüfung geführt werden soll, auch entsprechend vorbereitet werden muss, ist wohl eine Selbstverständlichkeit. Dazu gehören viel mühevolle Ausbildungsarbeit, viel geopferte Freizeit und noch mehr Geduld und Ausdauer. Aber auch der beste Hund mit dem ausgebufftes-ten Führer braucht für das Bestehen und die Benotung das gewisse Quäntchen Suchenglück, reflektiert doch jede Prüfung nur eine Momentaufnahme des Könnens.

Dieses Suchenglück beginnt aber manchmal schon bei den Richtern, die man zugeteilt bekommt. Fast immer trifft man auf qualifizierte, verständige Prüfer. Aber es gibt in Ausnahmefällen auch überhebliche, arrogante und unbelehrbare „Vollstrecker“. Gelegentlich ist ein Richter-Trio zusammen 190 Jahre alt und älter mit einem Wissensstand aus einer Zeit, die für den Führer bereits Geschichte ist. Grundsätzlich nichts gegen ältere Prüfer. Es gibt unter ihnen ganz hervorragende Rüdemänner, die im Herzen jung geblieben sind, sich ständig weiterbilden, selbst aktiv Hunde führen und deshalb auch wissen, wie einem Suchenführer zumute ist.

“Richter“ in “Prüfer“ umbenennen?

Ich habe insbesondere in den letzten Jahren als Führer oder als Fotograf an einer Vielzahl von Verbandsprüfungen teilgenommen. Dabei habe auch ich fast jede „Kategorie“ Prüfer/Richter kennengelernt. In der überwiegenden Mehrzahl waren es besagte qualifizierte Rüdemänner mit ausgewogenem Urteilsvermögen aufgrund großer Erfahrung und fundiertem Wissen in Theorie und Praxis. Aber es gab auch einige wenige, die offensichtlich ihren letzten Hund vor 20 oder 30 Jahren auf einer VGP geführt hatten und auf dem Wissensstand von damals stehengeblieben waren. Die bedauernswerten Gespanne, die solchen Leuten in die Hände fallen, haben meist nicht den Mut, gegen (Fehl-)Entscheidungen vorzugehen! Schade eigentlich.

Wäre es übrigens nicht sinnvoll, die „Richter“ in „Prüfer“ umzubenennen? Man kann doch nur über einen abgeschlossenen Tatbestand „richten“, nicht über einen laufenden, wie bei einer Verbandsprüfung. Wer weiß, vielleicht würde das manchen Richter dazu bringen, seine Aufgabe zumindest zu überdenken.

Man kann als Führer auf einer Verbands-prüfung grundsätzlich davon ausgehen, dass nur Richter eingesetzt werden, die auch die dafür erforderliche Qualifikation besitzen. Dies folgt unter anderem aus den §§ 102,103 I VGPO und auch daraus, dass der veranstaltende Verein und der Prüfungsleiter – der ebenfalls anerkannter Verbandsrichter sein muss – gemeinsam die volle Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung beispielsweise einer VGP tragen (§119 VGPO). Die veranstaltenden Vereine sind verpflichtet, qualifizierte Verbandsprüfer und Prüfungsleiter auszubilden, vorzuhalten und – vor allen Dingen – diese auch fortzubilden, was grundsätzlich auch geschieht. Aber eben nicht immer.

Prüfer unterlaufen aus unterschiedlichen Gründen auch Fehler

Gleichwohl unterlaufen auch Prüfern aus unterschiedlichen Gründen immer wieder Fehler, die zu höchst ärgerlichen Fehl-Entscheidungen führen und die mühevolle Ausbildungsarbeit von Monaten in Bruchteilen von Sekunden zunichte machen. Dazu kommt, dass dadurch auch manchen Führern – vor allem Erstlingsführern – ein für allemal die Motivation genommen wird, mit dem Führen auf Prüfungen weiter zu machen. Das darf nicht sein, denn wir brauchen passionierten und motivierten Nachwuchs.

Hier nun nur ein solches Negativbeispiel, was sich jüngst auf einer VGP ereignete. Die Arbeit auf der Haarwildschleppe mit Fuchs ist aufgerufen. Führer und Hund werden vom Prüfungsleiter und Richterobmann zum „Anschuss“ gerufen. Die Schleppe verläuft rechtwinklig zu einem Weg. Leichter Wind kommt von rechts. Die Entfernung zur letzten, rechts daneben kurz zuvor gearbeiteten Schleppe beträgt nur etwa 5o Schritt. Der Führer beanstandet die Entfernung, weil die vorgeschriebenen 80 Meter zwischen den beiden Schleppen nicht vorhanden sind. Er erhält als Antwort: „Das ist schon o.k“.

Der Hund wird angesetzt und wechselt wegen des Windes und des zu kurzen Schleppenabstandes – wie befürchtet – nach 5o bis 6o Metern auf die vom vorigen Hund gearbeitete Schleppe. Ergebnis: Er kommt zwangsläufig auch ohne Fuchs auf dieser Schleppe wieder zurück. Etwa 30 Meter vor dem Führer stutzt der Hund, dreht von sich aus um und nimmt, der Wind kommt immer noch von rechts, die vorherige Schleppe erneut an und gerät im Wald außer Sicht. Der Führer beanstandet noch einmal die zu geringe Distanz zwischen den Schleppen. Der Prüfungsleiter lehnt erneut ab.

Der Hund bleibt jetzt wesentlich länger aus. Offensichtlich sucht er am Ende der Schleppe verzweifelt nach dem Fuchs. Nach einiger Zeit taucht er wieder auf der „falschen“ Schleppe auf und kommt – wie sollte es anders sein – ohne Fuchs zurück. Der Führer nimmt seinen Hund heran und setzt ihn dann erneut, diesmal zehn bis 15 Meter links neben der für seinen Hund gezogenen Schleppe an, die dieser dann auch sofort und zügig anfällt. Auf dieser Schleppe gelangt er nun auch zum Stück, nimmt sofort auf und kommt mit dem Fuchs zurück.

Wo Menschen Tätig sind

Von den vergeblichen Arbeiten entkräftet rutscht ihm aber der Fuchs aus dem Fang, als er den parallel zum Weg verlaufenden Graben überwinden muss. Auf ein Kommando des Führers ergreift der stark hechelnde Hund den Fuchs, trägt ihn zu und gibt ihn dann korrekt ab. Leistungsziffer 2. Der Führer verlangt nun eine Ersatzschleppe, die aber beide, Prüfungsleiter und Richterobmann, trotz des offensichtlichen Verstoßes gegen § 39 VGPO wegen Unterschreitung des 80-Meter-Abstandes ablehnen!

Wo Menschen tätig sind – und Prüfer sind auch nur Menschen – da werden auch Fehler gemacht. Und aus Fehlern lernt man bekanntlich mehr als aus Erfolgen. Deshalb sollten Fehler, die vom Verursacher selbst nicht erkannt werden, nicht einfach hingenommen werden. Fehlentscheidungen der Prüfer wie in diesem Beispiel geschehen, können und müssen von neutralen Bewertern „überprüft“ werden. Das von ihnen gefundene Urteil ist für beide „Parteien“ verbindlich.

Wenn ein Führer also meint, dass sein Hund bei einer Verbandsprüfung grob ungerecht behandelt oder fehl beurteilt wurde, sollte er ruhig von der Möglichkeit, die ihm die Einspruchsordnung des Jagdgebrauchshundverbandes (JGHV) bietet, Gebrauch machen. Ein Einspruchsrecht steht jedem Führer zu. Zugegeben, es gehört etwas Mut dazu, diesbezüglich zur Tat zu schreiten. Andererseits darf dieses Recht nicht zur Arena von „Dauer-Quakern“ werden.

Einwand muss Hand und Fuß haben

Einwände wie: „Ich lass lieber die Finger davon, denn ich will hier nicht als Meckerer und Besserwisser dastehen“, oder „und was ist, wenn ich denselben Richter bei der nächsten Prüfung wieder zugeteilt bekomme?“, sind gelegentlich zu hören. Ein gravierendes, einmal gefälltes (Fehl-) Urteil haftet in einigen Fällen aber Ihrem Hund an. Primär ist, dass Sie nicht Bagatellen reklamieren oder versuchen Ihre eigene Eitelkeit zu befriedigen, sondern dass der Einwand Hand und Fuß hat.

Die Einspruchsfrist beginnt mit dem Aufruf der Hunde zur Prüfung und endet eine halbe Stunde nach Schluss der Preisverteilung. Sie haben also viel Zeit, sich über Ihre Situation klarzuwerden, bevor Sie eine Entscheidung treffen. Aber warten Sie nicht zu lange, damit unter Umständen noch genügend Zeit verbleibt, zu einer Wiederholungsprüfung in dem beanstandeten Fach anzutreten.

Als Einspruch-Erhebender haben Sie das Recht, einen Beisitzer, der anerkannter Verbandsrichter sein muss, für die Einspruchskammer zu benennen. Dies sollte natürlich eine Person Ihres Vertrauens sein. Gleiches Recht steht dem veranstaltenden Verein zu. Beide Beisitzer müssen sich dann untereinander auf einen Vorsitzenden einigen. Die Beisitzer sind nicht Anwälte einer Partei. Sie haben unter strenger Beachtung der VGPO nach bestem Wissen und Gewissen in völliger Objektivität über Ihren Einspruch zu entscheiden.

Einspruchsverfahren ist sehr einfach und praktikabel

Ihren Einspruch haben Sie schriftlich in einfacher Form unter Bezeichnung des Einspruchgrundes und unter Entrichtung von etwa 15 Euro Einspruchsgebühr einzureichen, möglichst beim Prüfungsleiter oder dem Vereinsvorsitzenden. Die Gebühr erhalten Sie zurück, wenn Ihrem Einspruch stattgegeben wird. Sie sehen, das Einspruchsverfahren ist sehr einfach und praktikabel. Auch haben nach meiner Erfahrung Einsprüche nicht selten zum Erfolg geführt. Aber besser ist immer noch, wenn Sie auf dieses Verfahren aufgrund der Qualifikation der Prüfer nicht zurückgreifen müssen. Ein weiteres Beispiel aus der Praxis:

Zur VGP angetreten waren fünf Hunde, drei Rüden und zwei Hündinnen. Der Veranstalter hatte Rüden und Hündinnen schon vorsorglich getrennt und zwei Gruppen gebildet. Beim Fach „Bringen von Fuchs über Hindernis“ trat der Führer des ersten Rüden mit einem noch halbgefrorenen Fuchs an das Hindernis. Der Prüfungsleiter machte ihn auf die Schwierigkeiten aufmerksam, die dieser Umstand zur Folge haben konnte und fragte, wer von den anderen Führern seinen Fuchs zur Verfügung stellen würde. Die Führerin einer Hündin erklärte sich bereit, verlangte aber verständlicherweise, zunächst selbst mit ihrem Fuchs arbeiten zu dürfen.

Hündin vorgezogen

Anstatt die Hündin wie im Programm vorgesehen – und auch den Führer mit dem gefrorenen Fuchs – ans Ende der Prüfung dieses Faches zu stellen, zog der Prüfungsleiter und Gruppen-Obmann die Hündin vor, die im Bereich des Hindernisses erst einmal ausgiebig nässte. Auf nachträgliches Befragen der Führerin versicherte diese: „Die letzte Hitze hatte meine Hündin vor gut zwei Wochen!“ Was nun folgte, kann sich wohl jeder Rüdemann vorstellen.
Rüde Nr. 1, eine typische „Hündin-Erscheinung“ schaffte das Fach mit Ach und Krach. Rüde Nr. 2, ein dominanter Hund, hatte erhebliche Schwierigkeiten und löste sich nicht von der Näss-Stelle der Hündin. Darauf forderte der Prüfungsleiter den Führer auf, „die Näss-Stelle zu zertrampeln“. Beim zweiten Ansetzen schaffte der Rüde mit Fuchs das Hindernis und erhielt dafür die Leistungsziffer 2.

Rüde Nr. 3, ein stark dominanter, triebstarker Hund, der schon als Welpe an Raubwild, insbesondere an Fuchs herangeführt worden war und demzufolge bei den Fuchsfächern zuvor nie Schwierigkeiten machte, drehte jetzt fast völlig durch. Er nässte ausgiebig dort, wo auch die Hündin genässt hatte, setzte weitere Duftmarken, löste sich sogar, obwohl er vorher ausreichend Auslauf gehabt hatte. Der Führer rief seinen Hund energisch zurück und schickte ihn erneut. Nach weiterem Dominanz-Verhalten, insbesondere an der Näss-Stelle, nahm der Rüde den Fuchs zwar auf, aber beim Sprung über den Graben rutschte der Rote ihm aus dem Fang. Daraufhin beschäftigte er er sich erneut mit der Näss-Stelle der Hündin. Beim dritten Ansetzen klappte es schließlich. Der Hund erhielt noch die Leistungsziffer 1.

Rüden nicht durch Anwesenheit von Hündinnen stören

Alle drei Rüden wurden hier wider ihre Natur geprüft. Denn wenn die VGPO vorschreibt, dass auf einer VGP allein die Leis-tung der Hunde festzustellen ist, dann setzt dieses gleichzeitig Chancengleichheit zwischen Rüden und Hündinnen voraus. Das heißt: Die Prüfung ist so zu gestalten, dass nichts, was Rüden durch die Anwesenheit von Hündinnen in ihrer Leistung beeinträchtigen könnte, zugelassen wird. Der Veranstalter hatte das ja bereits vorsorglich getan, in dem er zwei Gruppen gebildet und die Rüden vorangestellt hatte. Der Prüfungsleiter aber warf dies einfach um.

Ersatzarbeit wurde abgelehnt

Verhängnisvoll für die Rüden – insbesondere die beiden triebstarken – war, dass zuvor eine Hündin geprüft wurde, die den Rüden noch „heiß“ erschien. Dies konnten alle Zuschauer, die nur etwas von Hunden verstehen, unschwer erkennen. Einige ebenfalls anwesende Verbandsrichter betrachteten hingegen das „Schauspiel“ mit einem gewissen Amüsement. Weder von ihnen noch vom Prüfungsleiter und Richterobmann wurde eingeschritten. Hatte dieser nicht seinen Fehler schon selbst erkannt, als er den Führer des zweiten Rüden aufforderte, die Näss-Stelle zu zertrampeln? Er hatte doch versäumt, die Führerin auf eine mögliche Hitze der Hündin anzusprechen.

Neben den Führern der beiden dominanten Rüden war die Führerin der Hündin offensichtlich die einzige in der Korona, die wusste, was sich hier tatsächlich abgespielt hatte. Sie ging auf den Führer des dritten Rüden zu, entschuldigte sich und bestätigte, dass ihre Hündin vor gut zwei Wochen ihre Hitze gehabt hatte! Die Forderung des Führers nach einer Ersatzarbeit an anderer Stelle lehnte der Prüfungsleiter ab.

Die VGPO schreibt zwar immer noch keine generelle Trennung von Rüden und Hündinnen vor. Selbst dann nicht, wenn beide in einem abgegrenzten Bereich arbeiten müssen, wie zum Beispiel. beim Fach Bringen von Fuchs über Hindernis, was der Jagdpraxis ohnehin völlig fremd ist. In der Prüfungspraxis aber nehmen umsichtige Zucht- und Gebrauchshund-Vereine häufig schon eine soche Trennung vor, um von vornherein Chancengleichheit zu gewährleisten.

Eine Trennung von Rüden und Hündinnen wird derzeit nur unter den Voraussetzungen des § 121 VGPO gefordert. Was versteht aber diese Vorschrift unter einer „heißen Hündin“? Eine Definition gibt es nicht. Es wird aber meinem Erachten nach höchste Zeit, dass dies im Interesse der Rüden und ihrer Führer zur Herstellung ihrer Chancengleichheit bei Prüfungen nachgeholt wird.

Selbst Tierärzte und Kynologen sind sich nicht darüber einig, wann genau für einen triebstarken Rüden der Zeitraum beginnt, in dem er auf eine kommende Hitze reagiert, beziehungsweise, wie lange sie nachher noch Einfluss auf sein Verhalten hat. Der Zeitraum beginnt unterschiedlich lange vor dem Färben der Hündin und hält noch unterschiedlich lange an, wenn die Hündin schon lange nicht mehr „steht“. Zu berücksichtigen ist auch, dass jeder triebstarke Rüde gewisse Sekretabsonderungen einer Hündin als „eine Art Hitze“ registriert, wenn darin auch nur die geringste Spur von Blut enthalten ist (beispielsweise bei einer Blasenentzündung).

Es wäre also eine lohnende Aufgabe, festzulegen und in der Prüfungsordnung der VGP (§ 121) zu vermerken, was unter einer „heißen Hündin“ zu verstehen ist.
Eine weitere Anregung: Durch den Zusatz, dass beim Fach Bringen von Fuchs über Hindernis Rüden grundsätzlich vor Hündinnen geprüft werden müssen (§ 35), wenn dieses an ein und demselben Hindernis geschieht, würden von vornherein Ungerechtigkeiten wie die geschilderten ausgeschlossen.

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