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Sorgen werden nicht ernst genommen

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Der Wolf beschäftigt Bevölkerung und Politik in Niedersachen und auch anderen Bundesländern immer intensiver

Während es im niedersächsischen Landtag in der letzten Woche zu einem offenen Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition über das Thema kam, fühlen sich Eltern und Nutztierhalter in der Region Vechta im Stich gelassen.
 
„Wir müssen uns damit abfinden, dass der Wolf hier bleiben wird“, sagte der Vechtaer Landtagsabgeordnete Stephan Siemer (CDU) auf einer Informationsveranstaltung zum Herdenschutz des Landvolk-Kreisverbandes Vechta am 26. Februar in Goldenstedt. Dort ist die Lage besonders angespannt: Rund 60 Schafsrisse seit November 2014 und ein in der Nähe des örtlichen Waldkindergartens gesichteter Wolf sorgen für erheblichen Unmut in der Bevölkerung.
 

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Der Waldkindergarten Goldenstedt ist jetzt durch einen Lappenzaun geschützt, um Wölfe abzuhalten.

Landtagsabgeordneter Dr. Stephan Siemer
Landtagsabgeordneter Dr. Stephan Siemer (CDU) fordert eine Aufstockung der finanziellen Mittel für Präventiv- und Ausgleichsmaßnahmen beim Wolf.
Am selben Tag hatte auch Umweltstaatssekretärin Almut Kottwitz (Grüne) die Region besucht und mit mehreren Schafhaltern gesprochen. Kottwitz zeigte sich verständnisvoll. Eine Einstufung des Wolfes, der für die Nutztierrisse verantwortlich sein soll, als verhaltensauffällig und damit die Entscheidung für eine Vergrämung oder gar Tötung, verweigerte sie aber. Die Garantie, dass den Kindern im Waldkindergarten durch den Wolf nichts passiert, konnte sie aber auch nicht übernehmen. Dieser ist jetzt mit einem Schutzzaun versehen, der laut dem Landtagsabgeordneten Siemer „nicht mal zwei Möpse abschreckt“.
 
Siemer kritisierte die Förderrichtlinie Wolf vehement und forderte eine deutliche Aufstockung der Finanzmittel. In Frankreich würden für den Schutz vor Wölfen jährlich 2,5 Millionen Euro aufgewendet. Die Auffassung, dass die Förderrichtlinie zu kurz greife, scheine laut Siemer „langsam in das Umweltministerium einzutröpfeln.“
 
Der Landkreis Vechta ist seit dem 11. Februar in die „Förderkulisse Herdenschutz“ aufgenommen, d. h. Halter von Schafen und Ziegen können beim Land Fördermittel für Präventivschutz gegen den Wolf beantragen. Laut Frank Faß, Wolfsberater und Inhaber des Wolfszentrums in Dörverden, heißt das aber auch, dass die Nutztiere innerhalb eines Jahres präventiv geschützt werden müssen, denn sonst gebe es im Falle eines Wolfsangriffs keine Entschädigung.
 
Trotz der Förderung der Präventivmaßnahmen, auf die es keinen Rechtsanspruch gibt und die auch nur für gewerbliche Halter übernommen werden, sind die Landwirte in der Region aufgebracht. „Wenn der Wolf hier weiterläuft, kann ich die Bude dicht machen“, sagte einer von ihnen. Betriebswirtschaftlich rechne sich das nicht, da er allein zum Aufstellen und Kontrollieren der Zäune jemanden einstellen müsse. Abgesehen davon seien viele Flächen aufgrund ihrer Größe, Topografie und Abgelegenheit – die Zäune müssen unter Strom gesetzt werden – gar nicht effektiv zu schützen.
 
In der Landtagsdebatte eine Woche zuvor war auch über die Übernahme des Wolfs ins Jagdrecht diskutiert worden und die FDP-Fraktion hat sogar einen Antrag auf entsprechende Änderung des Landesjagdgesetzes in den Landtag eingebracht. Auch in Goldenstedt wurde diese Forderung erhoben. Konsequenzen: Schutzstatus bleibt erhalten, ganzjährige Schonzeit, Jagdbehörde ist zuständig, Anspruch der Hege für den Wolf durch die Jägerschaft und Erschließung und gegebenenfalls Erhöhung der Jagdabgabe für Wolfsprojekte oder Schadensausgleich. Ein verhaltensauffälliger Wolf darf laut Frank Faß, der sehr umfassend über das Thema Herdenschutz referierte, nach derzeitigem Recht vorbehaltlich einer Genehmigung durch das Landesumweltministerium bereits jetzt vergrämt oder entnommen werden.
 
Weiteres immer wiederkehrendes Thema: warum dauert es so lange, bis bei Nutztierrissen die DNA-Analysen über den „Täter“ vorliegen? Dies hatten der Landtagsabgeordnete Siemer und seine Parteikollegen bereits im Landtag gefragt und dies fragen auch die betroffenen Landwirte immer wieder, denn die Bestätigung, dass ein Wolf das Schaf gerissen hat, ist die Voraussetzung für eine Entschädigung. Die Analysen über die Nutztierrisse im November liegen noch immer nicht abschließend vor. Laut Frank Faß ist hier die Forschungsstelle des Senckenberg-Instituts im hessischen Gelnhausen das Nadelöhr: Nur hier können zurzeit die erforderlichen Analysen durchgeführt werden, und hier seien die Kapazitäten eben begrenzt. Man habe jedoch vor, auch die Tierärztliche Hochschule in Hannover als zugelassene Stelle für die erforderlichen DNA-Analysen auszurüsten und anerkennen zu lassen.
 

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Bürgermeister Willibald Meyer will keine Wölfe in Goldenstedt.Fotos: Markus Hölzel
Willibald Meyer, Bürgermeister von Goldenstedt und verantwortlich für den Waldkindergarten, äußerte sein Unverständnis für die durch den Wolf entstandene Situation. Die Sorgen der Menschen würden durch die Politik nicht ernst genommen und „unter den Teppich gekehrt“. Eine Garantie dafür, dass den Kindern im Waldkindergarten nichts passiere, wolle niemand übernehmen, so dass der Stadt nichts weiter übrigbleibe, als den Waldkindergarten zu schließen, wenn es keine Lösung gibt. „Ich bin der Meinung, dass in unserer von Menschen und Tieren dicht besiedelten Region kein Platz für Wölfe ist“, sagte Meyer. Sein Fazit: „Der Wolf ist wichtiger als die Sicherheit des Menschen im Allgemeinen und die Existenz einiger Schäfer im Besonderen.“
mh

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